Politsendungen zur Wahl im TV

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Am 22. September sind Bundestagswahlen und langsam läuft die Wahlberichterstattung heiß. Alle TV Sender haben eigene Formate entwickelt um Politiker und ihre Konzepte vorzustellen. Besonders im Fokus stehen dabei Jugendliche und wie man ihnen Politik nahe bringt. Als News- und Politikjunkie habe ich mir viele Sendungen angeschaut und hier ist mein Überblick.

“An einem Tisch mit” auf RTL
Meine Wahl - An einem Tisch mit Peer Steinbrück

Peer Steinbrück hat sich Peter Klöppels Esszimmerrunde gestellt und lässt sich von einem Gymnasiasten, einer Altenpflegerin, einer Öko-Unternehmerinn, einem Tanzlehrer, einer Schulleiterin und Peter Klöppel ausfragen. Dabei macht er eine gute Figur, hat teils sehr detaillierte Antworten und geht auf die Leute ein, ohne das große Ganze aus dem Blick zu verlieren.

Fazit: Sehr simpel, aber gutes Format, die Gespräche wirken nah und persönlich, das Niveau ist genau richtig.
Hier anschauen!

Task Force Berlin auf ProSieben
Gentleman - Bildung und Mitbestimmung 4 - Task Force Berlin - Video

ProSieben doktort eine ziemlich große Idee zusammen, bei der junge, mittelbekannte Menschen andere junge Menschen in der Schule, in der Uni, an der Graffiti-Mauer treffen und dann deren Wünsche an Politiker weiter tragen, die sie auf der Straße, im Bundestag oder woauchimmer treffen. Das ganze wird unterbrochen durch Straßeninterviews und Kommentare von Comedy-Schreibern im Kino. Es treten unter anderem auf: Cem Özdemir, Niekata Thompson, Gentleman, Wolfgang Schäuble, Petra Pau, Peter Altmeier, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Sophia Thomalla, Lars Klingbeil, Johanna Wanka, Doro Bär, Katrin Göring Eckhardt und viele andere.

Hier merkt man, wie wichtig gute Moderatoren sind. Die von ProSieben sind leider nicht gut, wissen teilweise noch weniger als die Jugendlichen, deren Vorstellungen sie ja eigentlich an die Politiker tragen sollen. Man fragt sich: wieso lassen sie die dann nicht direkt mit Özdemir und Co sprechen? So hat es etwas von stille Post.

Fazit: Sehr ambitioniert und groß gedacht, wirkt aber zerfahren und unübersichtlich, inhaltlich fehlt die Struktur und die Tiefe und daher wiederholt sich vieles.

Kann man hier sehen.

Jung und Naiv
▶ Jung & Naiv - Folge 77_ Peer Steinbrück - YouTube

“Jung und Naiv” ist ein Format vom Journalisten Tilo Jung, der bewusst naive Fragen stellt, Politiker duzt und sich damit schon eine große Fangemeinde erarbeitet hat. Dass er überhaupt nicht naiv ist, sondern ziemlich breites Wissen besitzt und dazu auch eine klare Haltung, beweist er im Gespräch mit Peer Steinbrück für den jungen Onlinesender Joiz.tv. Es entwickelt sich ein flottes Gespräch aus dem man eine Menge mitnehmen kann. Tilo bringt Steinbrück sogar dazu, einen sehr engagierten und pointierten Wahlaufruf für junge Leute hinzulegen. Kann man hier schauen:

Fazit: Bisschen amateurhaft, aber zackig und dicht.

Illner Intensiv
_illner intensiv__ Euroland in der Krise - maybrit illner - ZDFmediathek - ZDF Mediathek

Waren die anderen Sendungen bisher ziemlich kuschelig und darauf bedacht, die Zuschauer bloß nicht mit zuviel Details oder Kontroversen zu verschrecken, geht es bei Illner ordentlich zur Sache. Drei Politiker unterschiedlicher Parteien stellen sich im Streitgespräch und hauen sich auch schonmal ordentlich eins auf die Mütze, verbal.

Volker Kauder macht beim Gespräch über die Zukunft Europas keine gute Figur und zeigt, dass die CDU am liebsten gar nichts tun würde bis sich das ganze Schlamassel hoffentlich wieder auflöst. Vor allem gegen Frank Walter Steinmeier sieht er schlecht aus, da der sehr deutlich sagt, wie wichtig das deutsche Engagement für unseren Kontinent ist.

Noch schlechter stellt sich Innenminister Friedrich dar, der wieder zeigt, dass er überhaupt nichts von der NSA-Affäre verstanden hat, sondern immer noch denkt, dass es um abgefangene Funksprüche in Afghanistan geht. Eigentlich geht es in der Sendung aber um Zuwanderung, das ist leider sehr komisch zusammen gewürfelt.

Fazit: Tut manchmal weh wegen der Inkompetenz der Regierungsvertreter, aber macht an den Stellen wo es zur Sache geht auch mal Spaß.

Überzeugt uns
_Überzeugt uns!_ anschauen - _Überzeugt uns!_ anschauen - ARD | Das Erste

Die ARD kann jung! Die ARD kann Show! Und scheitert dann ziemlich. Katrin Bauerfeind, Richard Gutjahr und Ingo Zamperoni haben Ilse Aigner, Claudia Roth, Manuela Schwesig, Peter Altmeier, Daniel Bahr und Gregor Gysi zu Gast. Die klappern alle möglichen Themen ab und streiten sich hier und da, dann wird es besonders nervig. Zuschauer kommen im Studio zu Wort und via eingeblendeter Tweets, die ganze Zeit läuft ein Telefonvoting.

Ist leider überhaupt nicht überzeugend, völlig zerfahren und total zerklatscht von den Studiozuschauern. Die Moderatoren und Politiker gehen an den falschen Stellen ins Detail und reiten auf dummen Beispielen herum.

Immerhin, am Ende gibt es ein sehr klares Ergebnis.

Das Erste Mediathek [ARD] - _Überzeugt uns - Der Politiker-Check_ - Die komplette Sendung - Video zur Sendung Überzeugt uns! Der Politiker-Check - Montag, 26.08.2013-1

Noch weiter vorn liegt Gregor Gysi. Leider schaffen es die Macher nicht, das auch so einzublenden..

Fazit: Viel zu viel gewollt und dann nicht gut umgesetzt. Einziger Pluspunkt: Ein paar der eingeblendeten Tweets sind tatsächlich ganz witzig.

Rückblick gibt’s hier.

Der Klassiker: Die Sommerinterviews
Wie wenig Lust Merkel auf Wahlkampf hat, merkt man wenn sie mal in einer Sendung auftaucht. Schlecht vorbereitet, abgelenkt und genervt schleppt sie sich durch das Sommerinterview. Dass Peer Steinbrück endlich warm geworden ist, merkt man an seinem engagierten Sommergespräch: Klartext in kurzen und knappen Sätzen, er kommt selten aus dem Tritt und scheint sogar die skeptischen Interviewer zu überzeugen.

Fazit insgesamt: Das gute alte Gespräch zwischen Leuten, die Ahnung haben, aber gut erzählen können, ist immer noch das beste Format. So.

Am Sonntag dann der Ober-Klassiker: Das TV Duell!
Ich bin gespannt und freue mich drauf. Wenn Merkel hier auch wieder so uninspiriert auftritt, hat Steinbrück gute Chancen, einen Überraschungserfolg zu landen. Mit den Themen sollte er bei den meisten Menschen gut ankommen.

Shore, Stein, Papier – die ganze Geschichte

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Shore Stein Papier

Ein Mann sitzt am Küchentisch und erzählt sein bewegtes Leben. Mit 15 wird er drogensüchtig, sitzt mit 18 auf der Straße, verübt unzählige Einbrüche. Verurteilungen und vier Gefängnisaufenthalte folgen. Er erzählt Gangster- und Partygeschichten, von Leuten und Lebensweisheiten. Er sitzt einfach da und spricht und man hört ihm zu. Und kann nicht genug davon bekommen.

Ich habe in den letzten Wochen alle Folgen der Webserie “Shore, Stein, Papier” geschaut und kann ab jetzt den Mittwoch nicht mehr erwarten, wenn neue Folgen hochgeladen werden. Unser Protagonist erzählt auch die grausigsten Geschichten sympathisch und unterhaltsam: Wie ein Zellennachbar sich fast den goldenen Schuss gesetzt hätte, was ein anderer angestellt hat, um ins Gefängnis zu kommen, wie schlimm ein LSD-Trip sein kann. Man lernt, wie einfach es früher in Hannover war, in Ladengeschäfte einzubrechen, wie der Heroinhandel organisiert ist, wie Rohypnol zusammen mit Alkohol wirkt und wie man aus dem Gefängnis ausbricht.

Stand heute, nach mehr als 100 Folgen zu je ca. 10 Minuten, erzählt unser Protagonist von der Zeit nach der ersten Jugendhaft. “Jetzt folgte die ekelhafteste Zeit meines Lebens.”, sagt er. Und man fragt sich, was nach dem ersten Teil kommen kann, das noch schlimmer ist.

“Shore, Stein, Papier” ist Video-Unterhaltung, wie ich sie noch nie gesehen habe und wie sie im Fernsehen nie möglich wäre. Wegen der Drastik mit der erzählt wird und auch wegen der Erzählweise. Einfach jemanden an einen Küchentisch setzen und erzählen lassen, das würde im TV nicht funktionieren. Man muss sich einlassen auf diese Geschichte und ihre Details, sich die Protagonisten vorstellen und all die Alias-Namen merken: der Ägypter, Dekra, Patatas, der Jugo, Ramono und Romano.

Echte Namen fallen nie. Auch den Namen des Protagonisten erfährt man nicht. Man weiß auch nicht, wer hinter der Kamera sitzt und ihn ausfragt. Aber man kann sich denken, wie tiefenpsychologisch es hier vorgehen muss, wie an den kleinsten Fäden der Erinnerung gezerrt wird, um die Geschichten aus der Vergangenheit in all ihren Details wieder lebendig zu machen.

Fängt man aber an, im Web zu suchen, kommt man schnell auf Spuren früherer Vergangenheitsbewältigung. Da gab es mehrere Blogs, die nur noch über Archive.org zu finden sind, andere Posts, die darauf linken und auch auf ein Musikprojekt, in dem man unseren Erzähler wieder erkennen kann. Ohne zu sehr in die Tiefe zu gehen: Die Blogeinträge sind noch um einiges krasser als die Videogeschichten, so dass man sich vorstellen kann, wie viele Details in den Videos nicht erwähnt werden. Und möglicherweise auch in den Blogposts nicht.

Der YouTube Kanal Zqnce gehört zu den deutschen “Original Channels”, die von YouTube mitfinanziert werden, um neue Videoformate zu schaffen. In diesem Fall wird der Mut belohnt: Zqnce schaffen mit “Shore, Stein, Papier” ein neues Format, das informiert, unterhält und auch schockiert. Gerade das macht es so spannend. Und man wird, verzeiht mir die Wortwahl, wirklich süchtig danach, zu wissen wie es weiter geht.

Coming up: Illustrative Berlin

Image by Bozka

For the 6th time, Berlin will see a festival of illustration art, called “Illustrative”.
From the 31st of August until the 8th of September, 2013, numerous leading illustrators, graphic artists and collectives from all over the world will be shown in a central exhibition in the heart of Berlin. The range is from the established illustration art to the latest generation of young artist; from painting, drawing, installations, papercraft, book art and animation. This year’s focus will be on Polish artists especially.

I can recommend the Illustrative as an inspiring place to see some really good graphical work and meet interesting people.

Venue:
Direktorenhaus Berlin
Am Krögel 2,
10179 Berlin-Mitte

Find out more at the Illustrative Website.

Top Image by Bozka

Giordano Poloni - House in Kobe

Sigrid Calon - Vrij

Seb Jarnot - coll-egarement

Kann man schlimmer verlieren als Christoph Keese?

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Das Leistungsschutzrecht kennt (fast) nur Verlierer: Die Verlage haben sich lächerlich gemacht, die Regierung hat sich von Lobbyisten an der Nase herum führen lassen, andere Parteien sahen dabei auch nicht gut aus und Netzaktivisten haben ihre Zeit verschwendet. Es wurde ein Gesetz verabschiedet, das erst niemand brauchte und das kurz nach der Einführung von denen desavouiert wird, die jahrelang dafür gekämpft haben. Allen voran der Lobbyist Christoph Keese, der nun wie der allergrößte Idiot da steht. Schlimmer verlieren kann man eigentlich gar nicht. Oder doch?

Aber von vorn. Hier eine kurze Zusammenfassung für die, die nichts vom sogenannten Leistungsschutzrecht (LSR) mitbekommen haben: Die schwarzgelbe Regierung hat auf Drängen einiger Nachrichtenverlage ein Gesetz verabschiedet, mit dem bereits kleinste Textausschnitte und Überschriften als Leistung geschützt werden und von allen, die solche Snippets verwenden lizensiert und vergütet werden müssen.

Diese Regelung zielt ganz klar auf Aggegratoren wie Google News oder Rivva, die solche Anrisse in einer Übersicht präsentieren, von denen es dann zu den Langversionen weiter geht. Google verdiene sehr viel Geld mit der Leistung von anderen, wurde argumentiert, und davon hätten die Verleger gerne einen Teil. Google nahm dies zum Anlass, die größte politische Kampagne in Deutschland zu fahren, inklusive Werbung auf Kopfstützen von Taxis mit der Message: “Taxifahrer müssen ja auch nicht zahlen, wenn sie Kunden zum Restaurant bringen”.

Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer “Public Affairs” bei Springer war dabei der lauteste Kämpfer pro Leistungsschutzrecht, stritt sich öffentlich mit Kollegen wie Kai Biermann und Stefan Niggemeier, überredete Feuilleton-Journalisten, die keine Ahnung haben, lange Sermone über den Niedergang des Qualitätsjournalismus zu schreiben und war sich für keine Panel-Diskussion zu schade. Dass sich ausgerechnet ein Springer-Mann für “Qualitätsjournalismus” einsetzt, wirkte zu dem Zeitpunkt schon merkwürdig. Besonders perfide auch: Es geht nur um Verlage, Urheber und Autoren sind bei diesem Gesetz überhaupt nicht Thema.

Aber weiter mit der Geschichte. Schließlich wurde das LSR mit unklarer Formulierung verabschiedet, die SPD sperrte sich im Bundesrat auch nicht dagegen und alle fachkundigen Menschen schlugen die Hände über dem Kopf zusammen. Außer Google. Die schmissen einfach alle Quellen aus Google News und fordern nun einen expliziten Opt-In. Mit dem Effekt, dass anschließend fast alle Verlage servil bei Google an der Tür kratzten, weil sie auf den Traffic des Suchgiganten nicht verzichten wollen. Und am Ende auch: alle Springer-Titel.

Ja, was denn nun??!!, fragt sich der Beobachter. Wie kann man jahrelang für eine Regel streiten und diese dann, wenn man es geschafft hat, direkt ad absurdum führen? Ist das so wie das Spielzeug, das Kinder direkt kaputt machen, wenn sie es bekommen, nach monatelangem Quengeln? Und was heißt das für Christoph Keese? Das ist doch ein Tritt in den Arsch, ein dickes “Fuck You” seiner Kollegen, oder? So richtig nervig ist das aber für Aggregatoren wie erwähntes Rivva, an die sich keiner ranwanzt, weil sie nicht die Größe von Google haben, sondern jetzt mit der unklaren Rechtslage leben müssen und daher die Snippets abschalten.

Und was macht Christoph Keese? Richtig. Er macht selbst einen Aggregator. Noch einmal: Wie absurd ist das denn?!

Google kann sich nun lächelnd zurück lehnen und sich noch stärker fühlen als je zuvor. Wieso konnten die Verleger nicht einen Deal aushandeln wie in Frankreich? Wie kann man das nicht schaffen? Die eigentlichen Verlierer, neben der Politik, die sich hat vorführen lassen, sind die Kleinen, so wie Rivva. Das ist schade und das alles bestätigt leider die vorherige Einschätzung: “Es stärkt Starke und schwächt Schwache.” Und diese Niederlage ist noch schlimmer als die von Christoph Keese.