Es hängt immer noch an Deutschland.

Wie kann ein kleines Land, mit der Wirtschaftskraft von Hessen, solchen Einfluss auf Europas und Deutschlands Zukunft haben? Weil alles zusammen hängt und weil es um die Politik und die Zukunft Europas geht. Wer das nicht versteht, und unsere Regierung scheint die Dimension gerade nicht zu begreifen, setzt unser aller Zukunft aufs Spiel. Die bisherige Strategie ist gescheitert, es wird Zeit umzudenken.

Wenn deutsche Politiker sagen, die Ansteckungsgefahr eines griechischen Staatsbankrotts betreffe uns nicht, liegen sie falsch. Unfassbar falsch! Wenn Griechenland pleite geht, scheitert Europa. Und dann scheitert auch Deutschland. Kein Land hat so sehr von Europa profitiert wie Deutschland und wer diesen Wohlstand für normal und selbst erarbeitet hält, verschließt die Augen vor der Realität. Der billige Euro treibt den deutschen Export. Kaum ein Land kann sich so günstig Geld leihen. Wir sind geografisch geschützt, genau in der Mitte. Wir bekommen Zinszahlungen für die ausgegebenen Rettungskredite. Unsere wichtigsten Handelspartner sind unsere Nachbarländer.

Keiner weiß, was genau passieren wird, wenn Griechenland kein Geld mehr von der EZB bekommt, wenn also auch die ELA-Kredite aufhören, die dafür sorgen, dass immer noch Cash in den Automaten ist. Zuerst können die Staatsausgaben nicht mehr in EUR bezahlt werden, dann wird es eine neue, interne Währung geben müssen. Dann ist die Frage wie die Kredite bei den Gläubigern bewertet werden, bei einem direkten Ausfall und direkter Abschreibung heißt das Defizite in vielen europäischen Haushalten. Damit wird die Finanzierung der Staatshaushalte teurer, vor allem auch für Frankreich und Italien, aber auch für Deutschland. Die Länder werden weiter sparen müssen, bei den nächsten Wahlen werden die Ergebnisse radikaler. Weitere Länder steigen aus dem EUR aus und am Ende ist nur noch Deutschland übrig.

Und dann, wenn die Eurozone wirklich zerbricht, wird Deutschland in ein richtig tiefes Loch fallen. Die neue Mark wird viel zu teuer für die Exportwirtschaft, Absatzmärkte werden wegbrechen und all die Schulden aus dem Rettungsschirm sind perdu. Außerdem werden uns alle hassen, weil wir es aus Engstirnigkeit und mangelnder Weitsicht unterlassen haben, diese Katastrophe zu verhindern. So viel wie wir bisher profitiert haben, so viel haben wir auch zu verlieren. Wollen wir das alles aufs Spiel setzen? Dabei kann es so einfach sein: Ein Schuldenschnitt und keine Rentenkürzungen in Griechenland.

Es ist Zeit einzugestehen: Griechenland kann seine Schulden nicht zurückzahlen, wir brauchen einen Schuldenschnitt und Deutschland wird einen Teil davon tragen. Die griechischen Renten sind das soziale Rettungsnetz des Landes, eine weitere Kürzung ist nicht nur eine schwere Last für die Betroffenen, sondern entzieht der Binnenwirtschaft weitere Kaufkraft.

Liest man die internationalen Kommentare, z.B. Economist, New York Times, Wallstreet Journal, empfehlen alle den großen Schritt, also einen Schuldenschnitt und ein Investitionsprogramm und verlangen von Deutschland, Verantwortung zu übernehmen. Das sollte auch wirtschaftsfreundlichen Konservativen zu denken geben, wenn solcher Rat aus den urkapitalisitischen Ländern kommt. Zu glauben, man könnte sich national abschotten und dann dem Rest Europas beibringen wie wirtschaftlich sinnvolles Handeln aussieht, liegt falsch.

Ja, Deutschland muss einen Teil dieser Kosten tragen, aber die Alternative ist, wie oben beschrieben, wesentlich schlechter. Es hängt an uns, und es ist Zeit, das einzugestehen.

Warum Sigmar Gabriel nicht Kanzlerkandidat der SPD werden kann

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Will die SPD aus dem 25% Tief herauskommen, muss sie nun den offenen Streit mit ihrem Vorsitzenden suchen. Sigmar Gabriel hat sich um die Revitalisierung der SPD verdient gemacht, der Partei neues Selbstbewusstsein gegeben und sie zurück in die Regierung geführt. Er hat es geschafft, Kernthemen der SPD in den Koalitionsvertrag zu bringen und Mindestlohn und Mietpreisbremse umzusetzen. Aber jetzt ist es an der Zeit, dass jemand anderes übernimmt. Denn Sigmar Gabriel hat sich in falsch verstandenem Populismus verrannt.

Gabriel glaubt, die politische Mitte in Deutschland erreichen zu können und geht dafür moralische Kompromisse ein. Er agiert aus dem Affekt und glaubt, Stimmungen zu spüren. Er geht diesen Stimmungen nach, würde es vielleicht gerne noch extremer tun, weiß aber, dass er dabei Schwierigkeiten mit der Partei bekommen würde. Er wäre gerne wie Seehofer, kann aber nicht, so ist er ein Populist mit Handbremse. Und das ist ein doppeltes Problem: Weder funktioniert es machtpolitisch für die SPD, noch passt es zur Partei. Die braucht einen Spitzenkandidaten, der das ganze moralische Gewicht der Kernwerte glaubwürdig verkörpern kann.

Wer sich “privat” an Pegida heran wanzt, die griechischen Forderungen nach Weltkriegsreparationen, wenn auch nur im Kontext der Rettungspakt-Verhandlungen, “dumm” nennt und gleichzeitig nicht merkt, wie unpopulär seine eigenen Positionen zu TTIP und der Vorratsdatenspeicherung sind, ist nicht geeignet, die Partei als Spitzenkandidat in den nächsten Wahlkampf zu führen. Kohl half das Momentum, Schröder Bild, Glotze und sein Bauchgefühl und Merkel vertraut Umfragen und Meinungsbildern. Gabriel vertraut ausschließlich auf sein Bauchgefühl für Stimmungen in Deutschland.

Das ist sicher nicht nur meine persönliche Meinung, sondern stößt vielen SPD-Mitgliedern auf. Gerade in Fragen der europäischen Solidarität und beim Kampf gegen rechts muss die Haltung der SPD-Spitze glasklar und eindeutig sein. Und noch mehr gilt das, wenn man sich hier von CDU-Positionen abgrenzen kann. Für die Vorratsdatenspeicherung und TTIP ist es ebenso. Warum sollte man auf diesen Feldern der CDU hinterher rennen? Und noch ein weiteres Feld gilt es zu besetzen: Eine positive Russland-Haltung, die auf eine langfristige Entspannung hinarbeitet, als reale Friedenspolitik. Auch hier nichts Eindeutiges von Gabriel, das Feld bestellen andere SPD-Politiker.

Solidarität, Frieden, Internationalität – das sind Kernwerte der SPD, die jeder Spitzenkandidat glaubwürdig verkörpern muss. Schon am Wochenende auf dem Konvent kann es soweit sein, dass Gabriel stürzt. Und das wäre gut für die Partei, weil Gabriel niemals Kanzler werden könnte. Denn dafür ist er auch einfach nicht populär genug. Trotz seines falsch verstandenem Populismus.

In diesem Clip sieht man noch einmal den alten Gabriel, den, der die Partei wieder stolz gemacht hat. Der der Basis das Gefühl zurück gegeben hat, sie würden gehört. Der die Partei redemokratisiert hat. Heute droht er hinter vorgehaltener Hand mit Rücktritt und begibt sich auf das Feld der Basta-Politik, die er in dem Video geißelt. Ich glaube, Gabriels Zeit ist vorbei und es ist der richtige Augenblick, offen über die SPD-Führung der Zukunft nachzudenken. Und zwar ganz klar mit Hinblick auf die nächste Bundestagswahl und den dafür geeigneten Kandidaten.