Warum Sigmar Gabriel nicht Kanzlerkandidat der SPD werden kann

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Will die SPD aus dem 25% Tief herauskommen, muss sie nun den offenen Streit mit ihrem Vorsitzenden suchen. Sigmar Gabriel hat sich um die Revitalisierung der SPD verdient gemacht, der Partei neues Selbstbewusstsein gegeben und sie zurück in die Regierung geführt. Er hat es geschafft, Kernthemen der SPD in den Koalitionsvertrag zu bringen und Mindestlohn und Mietpreisbremse umzusetzen. Aber jetzt ist es an der Zeit, dass jemand anderes übernimmt. Denn Sigmar Gabriel hat sich in falsch verstandenem Populismus verrannt.

Gabriel glaubt, die politische Mitte in Deutschland erreichen zu können und geht dafür moralische Kompromisse ein. Er agiert aus dem Affekt und glaubt, Stimmungen zu spüren. Er geht diesen Stimmungen nach, würde es vielleicht gerne noch extremer tun, weiß aber, dass er dabei Schwierigkeiten mit der Partei bekommen würde. Er wäre gerne wie Seehofer, kann aber nicht, so ist er ein Populist mit Handbremse. Und das ist ein doppeltes Problem: Weder funktioniert es machtpolitisch für die SPD, noch passt es zur Partei. Die braucht einen Spitzenkandidaten, der das ganze moralische Gewicht der Kernwerte glaubwürdig verkörpern kann.

Wer sich “privat” an Pegida heran wanzt, die griechischen Forderungen nach Weltkriegsreparationen, wenn auch nur im Kontext der Rettungspakt-Verhandlungen, “dumm” nennt und gleichzeitig nicht merkt, wie unpopulär seine eigenen Positionen zu TTIP und der Vorratsdatenspeicherung sind, ist nicht geeignet, die Partei als Spitzenkandidat in den nächsten Wahlkampf zu führen. Kohl half das Momentum, Schröder Bild, Glotze und sein Bauchgefühl und Merkel vertraut Umfragen und Meinungsbildern. Gabriel vertraut ausschließlich auf sein Bauchgefühl für Stimmungen in Deutschland.

Das ist sicher nicht nur meine persönliche Meinung, sondern stößt vielen SPD-Mitgliedern auf. Gerade in Fragen der europäischen Solidarität und beim Kampf gegen rechts muss die Haltung der SPD-Spitze glasklar und eindeutig sein. Und noch mehr gilt das, wenn man sich hier von CDU-Positionen abgrenzen kann. Für die Vorratsdatenspeicherung und TTIP ist es ebenso. Warum sollte man auf diesen Feldern der CDU hinterher rennen? Und noch ein weiteres Feld gilt es zu besetzen: Eine positive Russland-Haltung, die auf eine langfristige Entspannung hinarbeitet, als reale Friedenspolitik. Auch hier nichts Eindeutiges von Gabriel, das Feld bestellen andere SPD-Politiker.

Solidarität, Frieden, Internationalität – das sind Kernwerte der SPD, die jeder Spitzenkandidat glaubwürdig verkörpern muss. Schon am Wochenende auf dem Konvent kann es soweit sein, dass Gabriel stürzt. Und das wäre gut für die Partei, weil Gabriel niemals Kanzler werden könnte. Denn dafür ist er auch einfach nicht populär genug. Trotz seines falsch verstandenem Populismus.

In diesem Clip sieht man noch einmal den alten Gabriel, den, der die Partei wieder stolz gemacht hat. Der der Basis das Gefühl zurück gegeben hat, sie würden gehört. Der die Partei redemokratisiert hat. Heute droht er hinter vorgehaltener Hand mit Rücktritt und begibt sich auf das Feld der Basta-Politik, die er in dem Video geißelt. Ich glaube, Gabriels Zeit ist vorbei und es ist der richtige Augenblick, offen über die SPD-Führung der Zukunft nachzudenken. Und zwar ganz klar mit Hinblick auf die nächste Bundestagswahl und den dafür geeigneten Kandidaten.