Erster Co:llaboratory Bericht fertig und online

Das erste Ergebnis des im April gestarteten Internet & Gesellschaft Expertenkreises liegt nun vor. In seinem ersten Bericht gibt das “Co:llaboratory” einen Überblick über das Stimmungsbild zu verschiedenen Aspekten der Internet-Innovationskultur und stellt Handlungsoptionen für verschiedene Entscheidungsträger vor. Es geht u.a. um die Themen globaler vs nationalstaatlicher Regulierung (hier mein Beitrag dazu auf dem Co:llaboratory YouTube Channel), Datenschutz und Privatheit, Arbeitsumfelder, Anonymität, Medienkompetenz und Urheberrecht. Die Ergebnisse sind durchaus interessant, vor allem an den Stellen, an denen wenig Einigkeit bestand. Das gesamte Dokument gibt es hier zum Download.

Ich hatte die Freude, daran mitzuarbeiten und in einem illustren Expertenkreis zunächst gegensätzliche Thesenpaare zu formulieren, die wir dann im Rahmen einer Umfrage zur Option stellten. Wichtiger als die Entscheidung für eine der beiden Thesen waren aber die qualitativen Beiträge, die die Thesen provozieren sollten und haben. Die Ergebnisse des jetzt vorliegenden Berichts basieren auf dieser Umfrage unter mehr als 530 Experten und Netzbürgern und wurden auf Grundlage von 2.300 qualitativen Statements erarbeitet.

Weiter zu den Details und Ergebnissen.

Positionen und Empfehlungen des Abschlussberichts:

Internet Governance und Standardisierung: Das “Co:llaboratory” befürwortet eine regional-global gemischte Selbstregulierung des Internets und hält diese Strategie auch für am ehesten umsetzbar. Ausgehend von global gültigen Mindeststandards sollten diese Raum für kulturelle, nationale und gruppenspezifische Besonderheiten lassen. Bei der Setzung von Standards wurden sowohl marktliberale als auch staatlich-regulatorische Ansätze vertreten. Insgesamt zeigte sich jedoch eine Präferenz für die bislang als erfolgreich empfundene Selbstregulierung des Internets.

Datenschutz und Arbeitsumfeld
: Eine große Mehrheit der Befragten sieht die Digitalisierung und Bündelung persönlicher Daten im Internet kritisch. Die anonyme Nutzung des Internets wird mehrheitlich als unverzichtbares Grundprinzip des Internets eingestuft. Insbesondere die Privatwirtschaft aber auch staatliche Stellen werden zu Datensparsamkeit aufgefordert. Im Zweifelsfall müsse gelten: pro Privatsphäre. Vom Grundsatz her wird ein “Opt-In” für den Datenschutz gefordert. Der Staat müsse einen funktionierenden Regelungsrahmen schaffen und seinen Bürgern Werkzeuge an die Hand geben, damit sie auf den Missbrauch ihrer Daten reagieren können.

In der Arbeitswelt empfiehlt der Expertenkreis, Internet- und IT-Innovationen stärker zu fördern. Zugleich sollten zum Schutz von Arbeitnehmern vor übermäßiger Überwachung durch ihre Arbeitgeber sowohl das gesetzliche Regelwerk ausgearbeitet als auch innerbetriebliche Prüfungen und Vereinbarungen zum Arbeitnehmerdatenschutz in Betracht gezogen werden.

Medienkompetenz und Demokratie
: Mehrheitlich schreiben die Befragten dem Internet sowie internet-basierten Innovationen positive Effekte auf die Chancengleichheit in der Gesellschaft zu. Deshalb müssen Medienkompetenz gestärkt und Zugangshürden abgebaut werden, um Tendenzen der digitalen Spaltung („Digital Divide“) zu begegnen und alle Bevölkerungsteile gleichermaßen an der Wissensgesellschaft teilhaben zu lassen. Empfohlen werden informelle Bildungsinitiativen zur Vermittlung von Medienkompetenz sowie der Auf- und Ausbau spezieller Fortbildungsangebote. Zudem müsse der Zugang zum Internet in die Berechnungsgrundlage für die ALG-II-Sätze einfließen.

Traditionelle Schwachpunkte der demokratischen Gesellschaftsordnung könnten in der Online-Welt abgebaut werden. Neue Formen der Kommunikation im Netz könnten dabei zweierlei bewirken: 1. sie gleichen Schwächen der Massenmedien als demokratische Kontrollinstanz aus, 2. sie erleichtern Teilhabe und Engagement der Bürger in der Parteiendemokratie. Die Experten empfehlen, eDemocracy und eParticipation durch Online-Beteiligungsplattformen weiter zu stärken. Innovative Ansätze sollten in Pilotversuchen erprobt und bei Erfolg schneller verbreitet werden. Staatliche Institutionen sollten öffentliche Informationen leichter zugänglich machen.

Rechtsrahmen und geistiges Eigentum

: Rund zwei Drittel der Befragten halten mit Blick auf die Innovationskraft des Internet eine Veränderung des bestehenden Rechtsrahmens zum geistigen Eigentum für erforderlich. Zentrale Bedeutung habe dabei das Urheber- und Patentrecht. Der Schutz geistiger Leistungen wird als sehr wichtig eingestuft, dennoch leide das aktuelle Urheberrecht unter einem Mangel an Ausgewogenheit, zugunsten der Verwertungsindustrie und zulasten von Urhebern und Internetnutzern. Statt einer Reform fordern viele Experten und Befragte ein von Grund auf neu geschriebenes Urheberrechtsgesetz. Vor- und Nachteile zusätzlicher Pauschalsysteme (z.B. Kulturflatrate) oder Urheberrechtsschranken müssten intensiver diskutiert werden. Alle mit öffentlichen Mitteln entstandenen Werke und Daten sollten von Beginn an gemeinfrei sein.