SPD: Nach der Ernüchertung die Erleichterung

Jetzt habe ich wieder ein halbes Jahr Wahlkampf für die SPD gemacht, mit PANORAMA3000 die Jusos im Web unterstützt, viel geredet und versucht, zu überzeugen – und am Ende steht eine der niedrigsten Wahlbeteiligungen und ein desaströses Ergebnis für die SPD. Wider Erwarten tut das gar nicht so weh.

Natürlich, meine und unsere Arbeit ist mit diesem Ergebnis schwer als super Kampagne zu bewerten, die meisten werden mir aber zustimmern, dass es weder allein an der Kampagne, noch am Programm gelegen hat sondern an 11 Jahren Regierung mit SPD-Beteiligung. Christian Soeder hat die Ursachen der SPD Wahlniederlage sehr klug analysiert, der ich mich anschließen kann.

Das Positive ist die Erleichterung für viele SPD-Anhänger, vor allem auch für die, die gar nicht zur Wahl gegangen sind. Es ist die Aussicht, sich neu aufstellen können, keine Kompromisse mehr verteidigen müssen, nach echten, linken Alternativen suchen, Visionen entwickeln können, aufzuräumen. Und nicht mehr mit der großen Koalition leben müssen, eingepfercht zwischen einer sozialdemokratischen Union und einer aufstrebenden Linken. Sondern wieder mutig ein eigenes Profil entwickeln zu können, in der Opposition gesund werden.

Jetzt ist Opposition und die SPD muss sich erneuern – wie, das bleibt zu diskutieren. Einen guten Einstieg in die Diskussion bietet der Juso-Blogs- und Twitter-Aggregator jusos.de/live. Der Unmut ist groß, der Ruf nach Veränderung ist laut, leider beschränkt es sich wieder nur auf “links oder rechts”. Wie dieses Links oder Rechts aussehen kann, bleibt zumeist noch im Dunkeln, ich habe zumindest noch keinen wirklichen Entwurf für eine moderne linke Politik gefunden, auch nicht bei Franziska Drohsel.

Zumindest der Wunsch nach Veränderung ist groß und das ist gut. Der Aufruf SPD erneuern ist schon vielfach unterzeichnet worden, es gibt eine Facebook-Gruppe und eine Meine-SPD-Gruppe – allein, hier fehlt bisher der Blick nach vorn (ähnlich argumentiert auch dieser sehr gut geschriebene Freitag-Beitrag: Was die SPD verrät)

Eine Erneuerung muss mit der Vergangenheit abschließen und sich nicht über die Vergangenheit definieren. Kritik an der Agenda-Politik ist in Ordnung, auch wenn ich der Meinung bin, dass es zu diesem Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen waren. Und genau weil die SPD die Architektin einer der größten Reformen des Sozialstaats ist, ist sie auch am ehesten in der Lage, notwendige Korrekturen daran vorzunehmen – also Hartz4, Mindestlöhne, Bundesagentur für Arbeit – kann man alles diskutieren. Rente mit 67? Ganz ehrlich, das ist für mich noch zu weit weg. Öffnung zur Linken? Ja natürlich, aber das muss man fast nicht mehr diskutieren.

Ich glaube, die Chance für die SPD ist die globale Perspektive.

Im Gegensatz zu der noch staatshörigeren Linke, die alles in den Grenzen Deutschlands regulieren will, kann die SPD eine globale linke Politik machen. Eine Politik, die dem Anspruch, Gerechtigkeit herzustellen auch gerecht wird, weil sie nicht vor den Landesgrenzen halt macht.

Eine globale Perspektive für die SPD-Politik würde aber an vielen Stellen das Gefühl von gerecht und ungerecht umkehren. Das ist mitunter überraschend, vielleicht auch schmerzhaft, aber genau darin liegt das Überraschende und Neue, das wir jetzt brauchen.

Denn: Ist es gerecht, wenn Essen billig ist, weil dann auch die Armen hier sich das gute Essen leisten können? Oder ist es ungerecht weil es Massentierhaltung, Dumpinglöhne und Umweltschäden bedingt?

Ist es nicht gerecht, dass der Wohlstand in der Welt gewachsen ist, auch wenn in Deutschland Industrie-Arbeitsplätze verloren gehen?

Ist es gerecht, dass die EU Exporte subventioniert und damit Märkte in Afrika zerstört, damit deutsche Firmen und Bauern mehr Geld für ihre Produkte erhalten?

Auf alle diese Fragen weiß die Linke keine Antwort und der CDU und der FDP ist es egal. Darauf müssen wir Antworten finden, weil das auch die Menschen von uns verlangen.

Finanzmärkte lassen sich nur global regulieren, der Klimawandel lässt sich nur auf globaler Ebene sinnvoll stoppen. Wir brauchen die globale Perspektive in jeder neuen Form von Politik, dann kann die Politik auch wieder neu werden.