Globaler Handel, lokale Märkte, Irrsinn der EU Politik

Am 07.06. sind Europawahlen. Hier folgen einige Gedanken und Forderungen welche Themen m.E. die öffentliche Diskussion über europäische Politik beherrschen sollten. Maßgeblich beeinflusst vom fantastischen Themenabend auf arte zu globalem Handel und lokalen Märkten, deren Dokumentationen man online sehen kann (Links ganz unten).

Die eigentliche Verantwortung Europas liegt nicht in einer europäischen Armee oder dem weiteren Beitritt von Ländern oder Euro-Staaten. Sie liegt auch nicht in Mindestlöhnen und Verpackungsgrößen. Die eigentliche Verantwortung Europas für die Welt liegt in der Wirtschafts, Energie- und Agrarpolitik.

Europa muss eine Menge tun und das schließt uns alle ein. Die europäische Politik muss ihre Ausgaben (und die sind nicht gering) darauf überprüfen, wem sie nützen. Die europäischen Konsumenten müssen kritischer werden und weniger verbrauchen. Ganz konkret sind Biodiesel, Exportsubventionen und unsere Konsumgewohnheiten sichere Methoden, um Millionen Menschen auf der Welt in Armut und Hunger zwingen.

Biodiesel – Tank statt Teller
Nachwachsende Biokraftsoffe galten noch vor kurzem als eine Alternative zu fossilen Brennstoffen. Inzwischen sind sie eine der Hauptverursacher für Hunger und Armut weltweit. Und ein globales Geschäft, für das die Politik Automobilhersteller und Agrarindustrie miteinander durch Subventionen und vorgeschriebene Beimischungsquoten fatal miteinander verknüpft hat.

Überall auf der Welt sind Plantagen entstanden, die den riesigen Markt mit pflanzlichen Ölen bedienen. Dafür werden Wälder gerodet, Bauern und Bewohner enteignet, Anbauflächen vernichtet. Palmöl wird zu Biodiesel raffiniert und exportiert, auf dem lokalen Markt steigen dazu die Preise für Fett.

Der weltgrößte Palmöl-Produzent ist laut der NDR Dokumentation “Die Biosprit-Lüge” (auf arte+7 ansehen) die indonesische Wilmar Holding. Ihr und der Sinar Mas Gruppe wird von Bauernverbänden Regenwaldrodung, Enteignung und Schmuggel vorgeworfen.

Biodiesel – Schöngefärbtes Verbraucherwissen
Inzwischen sind alle Neuwagen auf die Beimischung von gesetzlich geregelten Mengen Biodiesel hin entwickelt. Im ÖPNV wird mit Blick auf Biokraftstoffe investiert, z.B. Busse umgerüstet. Und Energieerzeuger nutzen Biokraftstoffe, um ihren Kunden Öko-Strom verkaufen können.

Unwissend finanzieren Stromkunden, Auto- und Kraftstoffkäufer (Abwrackprämie!) den Ressourcenschwund am anderen Ende der Welt. EU-Programme fördern die Forschung und Entwicklung von Biokraftstoff-Raffinerien, die besten der Welt kommen aus Deutschland. Das wissen auch indische Agrarkonzerne, die den Weltmarkt so mit den besten Kraftstoffen beliefern können. Und auch die indische und die indonesische Politik fördert die Entwicklung, obwohl ihre Bürger hungern und Bauern protestieren.

Schließlich wird bei der Raffinierung und dem Transport zusätzlich Energie verbraucht und CO2 ausgestoßen. Der Mythos des klimaneutralen Bio-Kraftstoffs ist damit auch dahin.

Der nächster Hit ist die Jatropha-Pflanze. Eine angebliche “non food crop”, die keine Konkurrenz sein soll zwischen “Tank und Teller”. Jatropha soll nicht dort angebaut werden wo sonst Nahrungsmittel wüchsen, mit 50 Mio $ Subvention fördert Indien Projekte in Rajastan, wo Jatropha-Plantagen auf Weideland entstehen (Weideland: also keine Nahrungsmittelanbauflächen) Der Effekt: Der giftige Busch und die Anbauflächen zerstören die Weiden der Milchbauern vor Ort. Es wächst kein Gras mehr und die Kühe verhungern. Die Bauern haben nichts mehr.

Die Jatrophapflanze ist auch nicht genügsam. Sie braucht viel Wasser und wächst mitnichten auf Brachland. Dazu kommt: Von der ganzen Pflanze können nur die Kerne der Früchte für die Dieselherstellung verwertet werden. Das heißt viel Fläche für wenig Öl. Jatropha-Pflanzen brauchen auch ein paar Jahre bis sie groß genug sind, um ertragreiche Früchte zu produzieren. Und um am weltweiten Biokraftstoffhandel mitzuverdienen, werden werden in der Zwischenzeit andere ölhaltige Pflanzen angebaut. So gibt es vor Ort weniger zu essen, so wie in Indonesien.

Ein neuer Vorschlag von deutschen Politiker wie Bärbel Höhn ist ein Ökosiegel für Palmölproduktion, der nachhaltigen Anbau prämiert und am Rande auch die Lebensbedingungen der Menschen, die ihre Umwelt verlieren, berücksichtigt. Doch ein Ökosiegel wird nicht viel daran ändern können. Das Problem ist die Biosprit-Lüge an sich.

Die Politiker verstehen die Problematik also nicht oder es ist ihnen egal, ganz zu schweigen von den Konsumenten. Es scheint, als verschlössen einfach alle die Augen. Die Hiobsbotschaft für uns in Europa ist nämlich, dass wir alle weniger verbrauchen müssen. Das gilt nicht nur für den Transport und Energie. Genauso fatal wie der Biodiesel-Wahnsinn ist die exportorientierte EU-Wirtschafts- und Agrarpolitik.

Exportsubventionen
Mit Fleischprodukten, die sich in Europa nicht verkaufen lassen, verdienen europäische Konzerne viel Geld in Afrika, der Nebeneffekt ist, dass lokale Märkte zerstört werden. Afrikanische Bauern und Verarbeitungsbetriebe können unmöglich mit industrieller Produktion, Marktmacht und EU-Geldern konkurrieren. Lokale Produzenten haben den Preisen für billiges Geflügel und Milch aus Europa nichts entgegen zu setzen. Der unverkäufliche Austoß, der bei der in Europa so beliebten Puten- und Hühnerbrust entsteht, wird tiefgekühlt nach Afrika transportiert und dort billig verkauft. Ähnlich ist es mit der Milchüberproduktion, die zu Milchpulver verarbeitet, die Preise für lokale Milchbauern, Kooperativen und Molkereien z.B. in Sambia ruiniert.

Das ist nicht nur ein Effekt der Globalisierung und der Liberalisierung der Märkte. Es ist sogar eine Strategie, die u.a. vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gefördert wird, siehe “Chancen auf globalen Märkten nutzen”, BMELV, Aktionsplan, Stand 2008, S.15. Europäische Agrarprodukte für das außereuropäische Ausland – das klingt gut, und deutsche Bauern, genau wie die neue Ministerin für Ernährung Landwirtschaft und Verbraucherschutz weisen jede Verantwortung und jeden Zusammenhang für die Effekte in Afrika von sich. Neben Korruption und Bürgerkrieg ist dies aber die dritte Plage für Afrika.

Die Abhängigkeit der Länder von westlichen Fördermitteln via IWF und Weltbank steigt durch die Finanzkrise weiter. Und die Kredite gibt es nicht umsonst. Einfuhrzölle, ein Mittel, mit denen sich die afrikanischen Länder vor der Europa-Waren-Schwemme schützen könnten, müssen im Gegenzug zur Kreditvergabe abgebaut werden. Die Finanzkrise als Auslöser für eine veränderte globale Wirtschaftsordnung? Das Gegenteil ist der Fall.

Organisationen wie Oxfam und Via Campesina arbeiten daran, das Bewusstsein der Europäer für diese Zusammenhänge zu schaffen. Gegen Bauernfunktionäre, Handelskonzerne, sowie Agrar- und Engergieindustrie, die an den den Milliarden der Agrarindustrie verdienen, sind sie machtlos. 10 Mrd EUR erhält z.B. Frankreich jährlich für seine Agrarindustrie. Die bezahlt unter anderem Lobbyisten damit das so bleibt.

So glaubt die EU-Kommissarin Mariann Fischer-Boel nicht, dass die exportorientierte EU-Politik lokale Märkte in Afrika bedroht und arbeitet der Milchindustrie (z.B. der deutschen Hochwald) in die Hände. Auch die neue Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse Aigner, ist ratlos, als ihr die Frage nach den Zusammenhängen zwischen globalem Handel und lokalen Märkten gestellt wird. Dies sei diese Woche kein Thema, sagt die sich einarbeitende Ministerin.

Die Dokumentationen online sehen
Hühner für Afrika

Milch, Macht und Märkte